Die Digitalisierung wandelt Lieferketten rasant – wie rasant, das lässt sich wohl am besten im Silicon Valley erleben. Wir erzählen diesmal die Geschichte von Start-ups, welche sich aufmachten, die Logistik-Welt auf den Kopf zu stellen.
Once Upon A Time im Silicon Valley: Wie ein MBA-Student Apple ärgerte
Es heißt, dass Steve Jobs am 22.5.2008 vor Wut fast explodiert sei. Warum? Apple, ein Großkonzern, in welchem Geheimhaltung seit jeher groß geschrieben wird, wurde von einem kleinen Start-up namens ImportGenius bloßgestellt. Für Ryan Petersen, Gründer dieses gerade mal ein Jahr alten Unternehmens, und kurz vor Abschluss seines MBA-Studiums an der Columbia Business School, war diese Meldung Grund zur Freude. Für ihn bedeutete es den Durchbruch.
Was war passiert? ImportGenius ist eine Suchmaschine für Zolldeklarationen und Ladeverzeichnisse. Ryan und seinem Team fielen bei der Durchsicht von Unmengen an Daten 188 mysteriöse Container ins Auge. Diese waren von Apple angemietet und enthielten „Electric Computers“ – eine Typbezeichnung, die Apple vorher noch nie verwendet hatte. Eine genauere Durchsicht der Daten verriet, dass in einer Ladung 544 Kartons mit einem Gesamtgewicht von etwa sieben Tonnen waren. Gleichzeitig importierte Apple keine Fracht mit der bekannten Typbezeichnung „Desktop Computers“, Warenbestände des iPhone 3 waren US-weit beinah erschöpft und der Mobilfunkanbieter AT&T verhängte von Juni bis Juli eine Urlaubssperre wegen eines „Exciting Summer Promotional Launch“.
Das ImportGenius-Team kombinierte schnell: Bei dieser Ladung musste es sich um ein das neue iPhone 3G handeln. Sie lagen damit richtig – Jobs kündigte das Gerät am 9.6.2008 im Moscone Center an (übrigens: hier waren angeblich die meisten anwesenden Apple-Ingenieure betrunken. Aber das ist eine andere Geschichte). Für ImportGenius bedeutete das Aufdecken des Geheimnisses viele neue Kunden, Kapital und Bekanntheit.
ImportGenius war übrigens nur das erste erfolgreiche Start-up für Petersen. Er ist CEO und Co-Founder des „Unsexiest Trillion Dollar Startup“ Flexport.
Bedeutung von transparenten Supply Chains in der heutigen Zeit
Warum erzählen wir ihnen diese Geschichte? „Transparency begets data, begets efficiency“ – die Bedeutung von Transparenz entlang der Lieferkette ist in den Jahren seit der Geschichte mit ImportGenius und Apple deutlich gewachsen. Doch heute ist diese Transparenz nicht mehr nur ein operationaler Vorteil von Spediteuren und Freight Brokern, sondern ein wesentlicher Bestandteil für die Wettbewerbsfähigkeit von ganzen Industrie-Zweigen.
Die Lieferkette in der Logistikbranche befindet sich heute in einem digitalen Umschwung. Die Abkehr von Brick-And-Mortar Retail (Einzelhandel) und dem damit einhergehenden wachsendem E-Commerce-Geschäft konfrontiert Firmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit neuen Herausforderungen.
Der vorhergesagte Abschwung der Weltwirtschaft und der Trend von ansteigenden Handelsbarrieren fordert „schmalere“ und effiziente Versorgungsketten, ohne die Belastbarkeit dieser Ketten zu gefährden. Darüber hinaus beobachten wir eine Änderung im Konsumverhalten der nun (fast) bevölkerungsstärksten Generation, der Millenials. Made-To-Order und last-minute-customization Strategien werden sowohl im B2B- als auch im B2C-Geschäft wichtiger.
Um in dieser neuen Umgebung zu überleben, müssen sich Spieler entlang der gesamten Versorgungskette austauschen. Es bedarf unter anderem neuer Lösungen im Austausch von Daten sowie flexiblerer Personal- und Produktionskontingente. Auch Automatisierung und Robotik sowie umweltfreundlichere Lösungen für den Transport von Personen und Gütern spielen eine bedeutsame Rolle.
Sichtbarkeit entlang der Supply Chain der Lebensmittelindustrie
In kaum einer anderen Industrie ist die Nachfrage nach Transparenz in der Lieferkette so hoch wie in der Lebensmittelindustrie. 68% der amerikanischen Haushalte mit einem Jahreseinkommen von über 20.000 Dollar sind bereit mehr für Lebensmittel zu zahlen, von denen sie wissen, woher sie kommen. Bei Millenials steigt dieser Prozentsatz sogar auf 73%. Denken wir nur mal an den Pferdefleischskandal in Deutschland: Wer möchte nicht genauer wissen, woher das Fleisch auf dem eigenen Teller eigentlich kommt?
Glücklicherweise gibt es Start-ups wie etwa Bext 360. Das Unternehmen aus Denver, Colorado, hat eine SaaS-Plattform entwickelt, auf der Machine-Learning-, KI- und Blockchain-Daten zusammenlaufen. Derzeit fokussiert sich das Start-up auf erste Projekte, in Bereichen wie Kaffeebohnen, Meeresfrüchten, Holz, Mineralien, Baumwolle und Palmöl. Bext360 setzt Roboter mit automatischer Bilderkennung ein, um die Qualität von den Rohstoffen direkt auf der Farm zu quantifizieren. Dabei wird jede einzelne Kaffeebohne gescannt und ausgewertet. Bext und die Farmer wissen also immer sehr genau welche Qualität sie vor sich haben und können so entsprechend einen fairen Preis vereinbaren.
Dieser wird auf der Blockchain abgelegt und auch die Zahlung von Bext an den Farmer erfolgt auf derselben Plattform. Der Konsument kann beim Kauf der Tasse Kaffee auf die Bohne genau nachvollziehen, von wo die Bohne stammt, welchen Preis der Farmer dafür erhalten hat, wie die Bohne aus dem Anbauland bis zum Coffeeshop transportiert wurde. Wer mehr erfahren möchte, findet hier ein spannendes Video: https://www.youtube.com/watch?time_continue=82&v=sP14yyQaz3s