Interview

SAN FRANCISCO/KIEL/HAMBURG. (25. August 2018)

Unser Mann im Silicon Valley: Er ist waschechter Schleswig-Holsteiner, in Kiel aufgewachsen und zur Schule gegangen. Nun wird er im Northern Germany Innovation Office Schleswig-Holstein | Hamburg in San Francisco dafür sorgen, schleswig-holsteinische Unternehmen mit den Unternehmen vor Ort zu vernetzen.

WTSH: Tim Ole Jöhnk, wie kommen Sie als waschechter Kieler plötzlich in die Partnerstadt San Francisco?

Tim Ole Jöhnk: Um es mit drei Worten zu sagen: Abenteuerlust gepaart mit Studium, Arbeit und schließlich Ehe. Ich bin bereits 2014 in die USA gezogen und habe in Oregon meinen MBA (Master Of Business Administration) gemacht. Damals wollte ich gern in den USA, insbesondere an der Westküste studieren. In Oregon habe ich ideale Bedingungen vorgefunden: eine gute und trotzdem bezahlbare Universität mit engen Kontakten zur Wirtschaft. Allerdings habe ich nach meinem Abschluss 2016 trotzdem nicht gleich ein Arbeitsvisum bekommen und bin ins Silicon Valley gezogen, weil ich mir dort höhere Jobchancen ausgerechnet hatte – glücklicherweise hatte ich damit auch Recht. Danach fügte sich einfach alles wunderbar zusammen. Meine Frau, die derzeit in Stanford promoviert, und ich haben geheiratet, ich hatte einen tollen Job in der Venture-Szene gefunden und plötzlich wurden Kiel und San Francisco Partnerstädte.

WTSH: Und nun sind Sie für Schleswig-Holstein im Silicon Valley im Einsatz und sollen für Vernetzung zwischen Unternehmen hier und dort sorgen. Herr Jöhnk, zum Einstieg – ganz schnell – fünf Begriffe: Welches sind die typischen Kardinaltugenden, mit denen Sie die Arbeit der Unternehmen im Silicon Valley beschreiben können?

Tim Ole Jöhnk: Neugierde, Risikobereitschaft, Größenwahn, Kollaboration und harte Arbeit.

WTSH: Und das alles findet sich dann wieder in agilen Managementstrukturen und in einer bestimmten Geisteshaltung. Davon ist zumindest immer die Rede, wenn man von Unternehmen im Silicon Valley spricht. Können Sie kurz beschreiben, was damit eigentlich gemeint ist?

Tim Ole Jöhnk: Ein guter Freund und Mentor von mir sagt gerne, dass das Silicon Valley voller Spinner ist. Jede Gründerin hat die nächste große Idee, jeder Gründer glaubt, dass er den Markt verändern wird – so wie es von Uber, Amazon und Google vorgemacht wurde. 99,9 Prozent werden scheitern, das stört aber niemanden. Man versucht es halt wieder. Und die 0,1 Prozent die tatsächlich was bewegen, tragen dann wieder zu diesem Phänomen Silicon Valley bei. Es wird also in großen Maßstäben gedacht. Was mir immer wieder auffällt ist die Energie und der Wille der alles und jeden umgibt. Wenn man morgens um 8:00 Uhr ins Büro kommt und mit dem Team den Tag durchgeht, hört man nie „das wird sowieso nicht funktionieren.“ Es herrscht eine Übereinkunft darüber, dass die Grenzen dessen was möglich ist und was nicht, nicht schon im Vorfeld in einem Teammeeting abgesteckt werden. Stattdessen wird es einfach mal probiert. Wenn es dann dennoch scheitert, ist das dann eben so. Und niemand würde sagen „das habe ich doch gleich gesagt“. Das bedeutet nicht, dass die Menschen hier naiv wären – es geht einfach nur darum, dass man sich nicht gleich schon von Beginn an gedanklich einschränkt. Mir fällt auch auf, dass viele Firmen ihre Mitarbeiter dazu motivieren über ihre eigentliche Jobbeschreibung hinaus zu denken. Das Stichwort hier ist „Ownership“. Wenn mir etwas auffällt das besser laufen könnte, ist es meine Verantwortung etwas zu ändern.

WTSH: Was können denn Unternehmer hier tun, um diese Geisteshaltung zu übernehmen, ohne sie zu kopieren?

Tim Ole Jöhnk: Sie sollten zu allererst einmal neugierig und aufgeschlossen sein. Und es braucht Zeit und Geduld, um die richtigen Faktoren für sich selbst zu finden und in das eigene System zu integrieren. Darum ist es wichtig, dass jeder Innovationsprozess von der Geschäftsführung unterstützt wird. Ich würde behaupten, dass 90 Prozent des Nutzens erst langfristig sichtbar wird. Das ist auch der Grund, warum Innovation-Teams auf so heißen Stühlen sitzen. Auf der einen Seite ist es klar, dass Innovation und Disruption nicht einfach so eingekauft werden können, sondern entwickelt werden müssen. Das kann zunächst einmal viel Geld und Zeit in Anspruch nehmen. Gleichzeitig müssen natürlich kurzfristig Geschäftsziele erfüllt werden. Wenn aber Manager um ihren Stuhl fürchten müssen, weil ihnen innerhalb der ersten zwei Quartale noch kein neues tolles Businessmodell über den Weg gelaufen ist, dann lähmt das die Möglichkeiten. Wenn hingegen die Geschäftsleitung diese langfristige Strategie unterstützt und vorlebt, dann trauen sich diese Teams auch mal was zu wagen.

WTSH: Sie haben die Aufgabe, Elemente des Innovationssystems Silicon Valley schleswig-holsteinischen Unternehmen an die Hand zu geben. Wie wollen Sie das ganz konkret machen?

Tim-Ole Jöhnk: In 3 Schritten. Erstens durch Trend- und Techscouting: Ich bin eng mit dem Silicon Valley verbunden: mit Unternehmen, Venture Capital Firmen, Universitäten, Startups und Accelerator Programmen. Die Partner des Büros können mich nun auf bestimmte Industrien oder Technologien ansetzen – sagen wir mal zum Beispiel auf Blockchain-Technologien in der Seefracht. Ich gebe dann einen Überblick zu Entwicklungen auf dem Markt – wer forscht gerade an dem Thema, welche Firmen haben in wen investiert, wohin geht die Entwicklung? Ich kann dann auch entsprechend die einzelnen Teilnehmenden miteinander vernetzen und bei der Kontaktaufnahme helfen. Zweitens: Das Silicon Valley erleben: Dieses wird entweder durch jährlich stattfindende Delegationsreisen realisiert oder durch Vorträge, Webinare und individuelle Reisen. Das Ziel dabei ist es, den Partnern die Möglichkeit zu geben, selbst zu erleben wovon ich berichte und entweder neue Kontakte zu knüpfen oder aber bestehende Kontakte auszubauen. Auf einer solchen Delegationsreise kann es, je nach Anspruch, um verschiedene Dinge gehen. Entweder sprechen wir von einer Art Einführungsveranstaltung mit Besuchen bei den großen Firmen wie Google, Facebook oder Plug and Play. Die Teilnehmenden sollen nach Hause kommen und die Energie mitnehmen, die sie hier erleben. Meine Hoffnung ist es, dass so der Wunsch danach entsteht sich intensiver mit diesem Innovationsökosystem zu beschäftigen. Für Firmen, die bereits häufiger im Silicon Valley waren und/oder schon Kontakte besitzen, geht es mehr um den Einblick und direkten Kontakt und der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Firmen und Universitäten. Auch hier unterstütze ich dabei, die richtigen Inhalte zu setzen und mit den jeweiligen Akteuren in Kontakt zu kommen. Und drittens: Das Silicon Valley ist ja bekanntlich Geburtsort und Erfolgsschmiede vieler Startups. Rund 40 Prozent des weltweiten Volumens an Venture Captial Funding kommen aus einem zwei-Meilen Radius rund um die Sand Hill Road in Menlo Park. Ich möchte Gründerinnen und Gründern dabei helfen, sich mit diesem Ökosystem zu verbinden. Neben den klassischen Venture Capitals gibt es viele Ressourcen, wie etwa Accelerator-Programme, Incubators und anderer Art von Mentorship. Ich sehe meine Aufgabe darin, ein zentraler Anlaufpunkt für junge Unternehmen zu sein, die sich informieren möchten, welche Möglichkeiten sie hier haben.

WTSH: Tim Ole, wie wird denn künftig Arbeitstag aussehen?

Tim Ole Jöhnk: Der frühe Morgen ist dem Austausch mit Deutschland gewidmet. Es sind ja immerhin 9 Stunden Zeitverschiebung. Also wird es sicherlich zumindest zwei Tage die Woche geben, an denen ich schon deutlich früher verfügbar sein werde. Vormittags kümmere ich mich dann um die Recherchen, Planungen für Delegationsbesuche, allgemeine Büroaufgaben und andere laufende Projekte. Ansonsten werde ich viel in der gesamten San Francisco Bay-Area unterwegs sein. Diese erstreckt sich ja über ungefähr 90 Kilometer (San Francisco bis San Jose). Meine Aufgabe ist es, das Netzwerk aufzubauen, so viele Kontakte in sämtlichen Firmen und Organisationen zu haben wie möglich und natürlich Norddeutschland hier im System sichtbar zu machen. Ich werde mich also viel auf Events zeigen (Konferenzen, Hackathons, Meet-Ups, Socials) und Kontakte knüpfen. Ich finde es spannend viele verschiedene Hüte tragen zu können. Ich arbeite mit Mittelständlern, Regierungsbehörden, Startups und Universitäten. Jeder dieser Aspekte hat seine eigenen Aufgabenbereiche, Herausforderungen und Einzigartigkeit.

Verantwortlich für diesen Pressetext: Ute Leinigen | WTSH Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig Holstein GmbH | Lorentzendamm 24, 24103 Kiel | Telefon 0431 66666 820 | Telefax 0431 66 66 6 769 | E-Mail: leinigen@wtsh.de | www.wtsh.de

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